„Wir sind Deutschlands größte Stadt. Wir sind Industriestadt und mit dem größten Binnenhafen der Welt natürlich auch Hafenstadt.“ So selbstbewusst beginnt der Film des Regionalverbands Ruhr, der mit einer großen Imagekampagne das Ruhrgebiet als „Stadt der Städte“ positionieren will. Attraktiv für junge Leute und Investoren soll der Ruhrpott, der natürlich nie so genannt wird, sein. Die erste große Werbenummer nach dem Kulturhauptstadt-Jahr 2010. Eine Standortkampagne für das Ruhrgebiet als ein großes Ganzes, die die Stadtgrenzen negiert und nur noch von der Metropole Ruhr spricht – kann das funktionieren?
Ich komme aus Paderborn und habe damit den Vorteil, das Ruhrgebiet in der Vergangenheit auch als Tourist und Gast erlebt zu haben. Also das Image wie es immer so schön heißt, nicht verklärt durch eine rosa Zechenbrille zu sehen, wie man beim Namen dieses Blogs vermuten könnte. Was soll ich sagen, dass Image war bis in die 2010er Jahre wirklich grottig. So grottig, dass ich beim Studium in Bayern immer die Wahl hatte zwischen Pest (aus der Nähe von Bielefeld) oder Cholera (aus der Nähe von Dortmund) zu kommen. Beides für die süddeutschen Kommilitonen eine sehr schlimme Vorstellung. Die üblichen Klischees von grauem Ruhrpott, vielen Asis und hässlichen Industrieruinen waren da sehr präsent in den Köpfen.
Nun wohne ich seit sieben Jahren in Bochum und bin sehr schnell dazu übergegangen im Job nicht „Ich komme aus Bochum“, sondern „Ich wohne im Ruhrgebiet“ zu sagen. Ich habe da bis zum Start der neuen Standortkampagne nie groß drüber nachgedacht, aber an sich ist das merkwürdig. Denn eigentlich orientiert man sich ja immer an der nächst größeren Stadt. Bochum kennt man im Allgemeinen durch Starlight Express und Herbert Grönemeyer, auch wenn man in Dresden, Stuttgart oder München wohnt. Es wäre daher ein Leichtes für mich, die Stadt zu nennen und nicht die Region oder die nächst größere Stadt, also Dortmund oder Essen, wer hat gerade mehr Einwohner? Ich weiß es nicht einmal.
Inhalt
Identität Ruhr?
Vielleicht liegt das daran, dass ich als Zugezogener nicht die Verbundenheit mit einer einzelnen Stadt spüre, sondern die Region mir damals so erschlossen habe, wie sie die Werber und Investoren sehen: Als ein zusammenhängendes, durch Bergbau und Strukturwandel geprägtes Gebiet mit vielen ähnlichen Städten. Sorry, Stadtmarketing, aber für mich sind da die Unterschiede der einzelnen Citys nicht so relevant, als das ich betonen müsste, dass ich in Bochum wohne. Dazu kommt, dass ich mich nicht sonderlich für Fußball interessiere, also diese Feindschaft zwischen Dortmund und Schalke zum Beispiel nicht ernst nehmen kann. Für mich sind es zwei Fußballmannschaften, die zufällig ihr Heimatstadion nur wenige Kilometer vom anderen entfernt haben. Ich weiß, dass ich damit bei Anhängern der jeweiligen Clubs auf nicht viel Verständnis stoße. Mit der Sicht von außen jedoch sind Gelsenkirchen und Dortmund einfach nur zwei Städte, die zu einer Region gehören. Aber ist diese Region damit automatisch wirklich eine Metropole, ein großes, zusammenhängendes Ganzes?
Ich empfinde es nur teilweise so. Zum Beispiel weiß ich noch ganz genau, dass ich sehr erstaunt war, wie schlecht der Nahverkehr teilweise ist. Bevor ich das erste Mal von Bochum nach Oberhausen gefahren bin, dachte ich, es gibt im Ruhrgebiet mit fünf Millionen Einwohnern mit Sicherheit überallhin Direktverbindungen und einen großen Verkehrsraum statt vieler Nahverkehrsbetriebe. Ja, falsch gedacht. Das wirtschaftlich nicht ganz unbedeutende Centro in 30 Kilometer Entfernung erreiche ich von Bochum aus mit mehrmaligem Umsteigen in Bus und Bahn erst nach ca. 70 Minuten. Fahrten innerhalb der Startstadt nicht mitgerechnet.
Von A nach B in zehn Minuten
Diese Rechenbeispiele sind hinlänglich bekannt, und das Meckern über die verstopften Nahverkehrszüge auch. Wohl sehr viele Menschen, mich eingeschlossen, sehnen deshalb den Rhein-Ruhr-Express herbei oder freuen sich, dass zumindest mit der Ruhrbahn in Essen und Mülheim erste Fortschritte in Sachen Vereinheitlichung gemacht werden. Fairerweise mache ich an dieser Stelle mal darauf aufmerksam, dass ich in etwa 15 Minuten von der Bochumer in die Dortmunder Innenstadt komme und damit kürzer unterwegs bin als von Bochum-Hamme nach Bochum-Weitmar. Dort verschwimmen dann die Stadtgrenzen schon sehr. Wie putzig dies auf chinesische Investoren wirken muss, die aus uns völlig unbekannten Städten kommen die ein paar Millionen Einwohner haben, sollte man sich auch ab und zu bewusst machen. Und an die richtet sich die neue Imagekampagne ja hauptsächlich. Sie ist eben nicht für Bewohner der Region entstanden, die wenig mit der Bezeichnung „Stadt der Städte (City of Cities)“ oder gar Metropole Ruhr (Metropolis Ruhr) anfangen können, sondern richtet sich an Investoren und Führungskräfte aus China, den USA, den Niederlanden, Großbritannien, Türkei und Polen. Und da die Region innovativ, jung und dynamisch wirken soll, gibt es im Imagefilm keine Motive mit Förderturm, kohleverschmierten Gesichtern oder Industrieromantik.
Kampagnenmotive
Alle Motive von: www.metropole.ruhr
Stattdessen: Viel moderner Glas- und Stahlbau, Studenten, Fahrradfahrer, Skateboarder und Aufnahmen von der grünen Landschaft rund um die Ruhr. Alles nett anzusehen, dazu ein treibendes Musikbett und eine herausfordernde, selbstbewusste Frauenstimme, die das Ruhrgebiet, pardon, ich meinte natürlich die „Stadt der Städte“ mit New York vergleicht. In der englischen Version ist übrigens eine Männerstimme aus dem Off zu hören. Neben dem Imagefilm gibt es Messeauftritte, Videos, Printanzeigen und Events. Der Spaß kostet zusammen zehn Millionen Euro und ist für die Jahre 2017 bis 2019 angelegt. Entwickelt wurde die Kampagne von (Hamburg) und TAS Emotional Marketing (Essen). Sie beansprucht laut RVR eine „stringente Dachmarkenkommunikation, die durch Co-Branding und eine Verzahnung von Form und Inhalt die vielen Facetten der Metropole Ruhr darstellt“ zu sein.
Ich sage dazu nur puh, das ist man eine große Herausforderung. Zu recht moniert da Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch, dass er den Überblick über all die Logos zum Ruhrgebiet, die von Initiativen, Vereinen, Clustern und staatlicher Wirtschaftsförderungen in Umlauf gebracht wurden, verloren hat. Mir geht es ähnlich. Ich kapiere oft nicht, wer da in welchem Namen kommuniziert. Zu heterogen, zu wenig aufeinander abgestimmt wirkt da Vieles aus meiner Sicht.
Der Begriff Metropole Ruhr
Und noch eine Anmerkung zum Metropolen-Begriff, zu dem es viele kritische Kommentare unter YouTube- und Facebook-Beiträgen der Kampagne gibt. Ich kann verstehen, dass man den Begriff Ruhrpott als zu altbacken und vergangenheitsbezogen wahrnimmt und auch mit dem Ruhrgebiet seine Probleme hat, da es eben eher nach Industriegebiet klingt als nach irgendwas Schönem. Und Ruhrland will man sicherlich auch nicht heißen, das klingt stark nach grüner Wiese und Agrarwirtschaft. Wir sind ja nicht das Münsterland. Aber sind wir eine Metropole wie Berlin oder New York?
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